Ein Resümee
Unsere achte Woche geht nun zu Ende. Als ich hier in Chesterfield angekommen bin habe ich mir selbst sechs Wochen zur Eingewöhnung verordnet. Warum sechs Wochen? Drei Wochen fühlen sich noch wie Urlaub an, vier Wochen würden wir sicher brauchen bis wir unsere Wohnung einigermaßen wohnlich eingerichtet haben, bleiben noch zwei Wochen um sich ein Bild vom zukünftig „normalen“ Alltag zu machen. Ja, und jetzt sind schon die ersten acht Wochen rum. Wir haben einiges erlebt und vieles Neues gelernt.
So wird, auch wenn wir zu Hause Deutsch sprechen, unser Englisch von Tag zu Tag besser. Mit dem Verstehen tun wir uns in manchen Situationen noch etwas schwer. Dies passiert vor allem wenn es sich nur um kurze Gespräche handelt, wie z. B. an der Supermarktkasse oder in einer Kneipe. Unsere Antwort auf die rethorische Frage „ How are you doing today? klingt wohl schon sehr amerikanisch und häufig kapiert unser Gegenüber nicht sofort, dass wir nicht von hier sind. Was dann dazu führt, dass mit dem hier üblichen und für uns noch schwer verständlichen Akzent gesprochen wird.
Nichtsdestotrotz hält das Leben neben der Sprache noch einige weitere interkulturelle Fettnäpfchen für uns bereit. Oftmals ist es schwierig zu sagen ob etwas einfach nur freundliche Rhetorik oder ernstgemeintes Angebot ist. So haben wir es uns beispielsweise bereits mit einem unserer Nachbarn vergrault indem ich auf die Frage ob wir Hilfe brauchen mit Ja geantwortet habe. Wir waren gerade dabei unseren ziemlich massiven Esszimmertisch aus dem Auto in unsere Wohnung im zweiten Stock zu schleppen, als unsere Nachbarin mit Ihrem Sohn das Haus verlässt. Beim Vorbeigehen an unserem Auto fragt sie also „Do you need help?“ was ich mir einem „Oh that would be great!“ beantworte. Daraufhin blickt sie mich etwas verwirrt an und sagt dann ihrem Sohn, dass er Tobi helfen soll. Als der Tisch endlich in unserer Wohnung angekommen ist, sind beide sehr verschwitzt und der Sohn unserer Nachbarin sieht nicht besonders happy aus. Seitdem werden wir von beiden nur noch mit einem sehr distanzierten Hello oder Good Morning gegrüßt. Als ich am Abend an unserem aufgebauten Esszimmertisch sitzen und über die Situation philosophiere wird mir klar, dass die höfliche Antwort auf die Frage wohl Nein gewesen wäre. Tobi kommentiert das Ganze ziemlich nüchtern mit der Aussage: „ Ja, des ham se jetzt von ihrer zuvorkommenden Art.“
Diese freundliche und zuvorkommende Art macht es einem aber unglaublich einfach sich hier sehr schnell sehr wohl zu fühlen. Alle sind ständig an deinem allgemeinen Befinden interessiert, völlig egal ob das die Arbeitskollegen im Büro oder die Kassiererin bei Aldi an der Kasse ist. Und das fühlt sich vor allem in der ersten Zeit sehr, sehr gut an. Natürlich mag das alles auch etwas oberflächlich sein, aber ich denke dass wir „Deutschen“ dazu tendieren Oberflächlichkeit mit Freundlichkeit zu verwechseln.
Was wir allerdings definitiv unterschätzt haben ist wie schön die Gegend um uns herum eigentlich ist. Chesterfield hat alles was man so zum Leben braucht – Einkaufsmöglichkeiten, Kneipen, Restaurants, Parks und auch eine tolle Laufstrecke haben wir bereits gefunden. Nach St. Louis Downtown sind es etwa 20 Minuten, genauso sind es aber auch nur 20 Minuten bis zum nächsten Nationalpark in dem man super Wandern, Fahrradfahren und Campen kann. Im Moment haben wir noch unglaublich viel Spaß daran jedes Wochenende unsere nähere Umgebung zu erkunden und kennenzulernen.
Aber wir haben natürlich auch ganz praktisch Dinge gelernt. Wie ihr aus einem unserer Blogeinträge entnehmen könnt wissen wir beispielsweise nun auch wie man mit Scheck bezahlt. Bei diesem Thema habe ich mich immer wieder gefragt, wo denn genau dieses fortschrittliche und allen überlegene Amerika in sein soll, in dem Appel stylische Computer und google selbstfahrende Autos entwickelt. Grundsätzlich fehlt mir hier bei allem immer etwas die Tendenz zum Schönen und Modernen. Jeder der schon mal in einem amerikanischen Hotel übernachtet hat, wird mir hier zustimmen. Die bevorzugten Farben sind braun, beige und grau und beim Blick auf die Gardinen fühlt man sich gleich wieder wie bei Oma im Wohnzimmer.
Apropos Wohnzimmer, auch beim Thema Fernsehen haben wir dazu gelernt, z. B. dass Fernsehen hier ziemlich teuer ist. Die monatlichen Preise für einen Kabelanschluss mit Internet und Telefon liegen so bei $80 – $100. Es gibt zwar ein paar wenige kostenfreie Sender die allerdings nur über Satellit empfangen werden können. Da wir die letzten Jahre in Deutschland gar keinen Fernseher hatten, haben uns deshalb gegen Kabelfernsehen und für ein Amazon prime Abo entschieden und ich weiß jetzt auch wieder wie angenehm es ist ein Film auf einem 40 Zoll Fernseher anzuschauen.
In Summe kann man, denke ich sagen, die USA sind weder so düster noch so paradiesisch schillernd wie sie in den meisten europäischen Köpfen existieren. Hier ist weder die Heimat des abgrundtief Bösen noch das Land wo Milch und Honig fließt. Es gibt Dinge die ich jetzt schon liebe, aber es gibt eben auch viele Dinge die ich noch nicht verstehe, oder auch niemals verstehen werde.
Ich kann, für mich persönlich, nach acht Wochen sagen, eingelebt – Ja, angekommen – noch nicht ganz.
Ein sehr schöner und weiser Beitrag!
Michaela ich kann dich sehr gut verstehen. Uns ging es vor 25 Jahren nach der Einwanderung auch so zu Beginn.
Ich kann dir nur sagen, dass nach 25 Jahren viele Dinge sich anders anfühlen 🙂
Weiter so! Ich bin auf die nächsten Beiträge gespannt
Hi Olga,
vielen Dank (vorallem für das Wort „weise“ ?)
Da wir ja nur drei Jahre bleiben wollen, hoffe ich allerdings, dass es nicht 25 Jahre dauert bis ich angekommen bin… ?
Toller Beitrag, du schilderst genau das wie ich in den 3 Monaten Amerika auch empfunden habe.
Lasst es Euch gut gehen 🙂